"Stummer Frühling": Erst sterben Biene & Co, dann die Auswahl
Gemeinschaftsaktion von Umweltministerium, PENNY und NABU
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Rund 60 Prozent der Artikel betroffen
Kunden werden angesprochen, selbst aktiv zu werden gegen das Insektensterben
Bienen sind nach Rindern und Schweinen das drittwichtigste Nutztier des Menschen. Weltweit sind über 85 Prozent der Wild- und Kulturpflanzen auf die Bestäubungsleistung der Bienen und einer Vielzahl weiterer bestäubender Insektenarten angewiesen. Schätzungen zufolge liegt der wirtschaftliche Nutzen von Wildbienen, Schmetterlingen und Co. im Hinblick auf die Bestäubungsleistung von Kulturpflanzen global bei jährlich bis zu 500 Milliarden Euro. Umso dramatischer ist es, dass die Anzahl und Vielfalt der Insekten in den vergangenen Jahren drastisch sinkt. Beispiel Wildbienen: Von den etwa 550 in Deutschland vorkommenden Arten sind bereits über die Hälfte mindestens gefährdet, viele bereits ausgestorben. Bei anderen Insektengruppen ist diese Entwicklung ähnlich brisant. Die Ursachen für den dramatischen Insektenrückgang liegen maßgeblich in der industriellen Landwirtschaft: Durch den massiven Einsatz von Pestiziden und dem Fehlen von Strukturen wie Feldgehölzen oder Ackerrandstreifen werden Insekten direkt getötet oder finden keine Nahrungsquellen mehr. Auch die zunehmende Lebensraumzerstörung oder der Klimawandel tragen ihren Teil dazu bei.
Um seine Kunden über die unmittelbaren Folgen des Insektensterbens zu informieren, hat PENNY in seiner Filiale am Marktplatz 5 in Langenhagen sämtliche Produkte aus den Regalen genommen, die es – in der bekannten Form – nicht mehr gäbe, wenn das Insektensterben unvermindert weitergeht. In Zahlen: Von den 2.500 Artikeln im PENNY-Sortiment sind rund 60 Prozent direkt oder indirekt von der Insektenbestäubung abhängig.
"Ich war schockiert als ich die Auflistung sah. Man macht sich überhaupt keine Vorstellung davon, wie viele Produkte ohne die Bestäubungsleistung der Insekten wegfallen würden. Wir müssen gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, um das Insektensterben zu stoppen. Umso dankbarer bin ich, dass Olaf Lies als Niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz die Aktion unterstützt und sich heute persönlich ein Bild davon macht. Wir wollen unseren Kunden aber auch zeigen, wie vergleichsweise einfach sie sich für die Bienen engagieren können. Zum Beispiel mit Blumenwiesen oder Insektenhotels auf dem Balkon oder im Garten", so Stefan Magel, Bereichsvorstand Handel Deutschland / COO PENNY. "Unsere Natur verstummt ansonsten unwiederbringlich."
Umweltminister Olaf Lies ergänzt: "Die Konsequenzen eines ungebremsten Insektensterbens werden uns hier auf erschreckend deutliche Weise vor Augen geführt. Ein Großteil des gesamten Lebensmittelsortiments ist von der Leistung von Bienen und vielen anderen Insektenarten abhängig. Ohne sie hätten wir sehr stark ausgedünnte Supermärkte – und dieses Problem träfe uns dann alle! Diese düstere Zukunftsvision zeigt, was uns blüht, wenn wir nicht unverzüglich gegensteuern. Auch als Nahrungsgrundlage für Fledermäuse und viele Vogelarten sind Insekten unersetzlich. Die EU hat sich endlich positioniert und in der letzten Woche drei für Wildbienen und andere Bestäuber gefährliche Gifte aus dem Verkehr gezogen. Die Bundesregierung legt ein Aktionsprogramm auf, das vor allem mehr Lebensraumschutz vorsieht. Auch wir in Niedersachsen wollen die Vielfalt der Insekten erhalten und fördern, indem wir verstärkt den Ursachen des Insektensterbens auf den Grund gehen, um dann mit geeigneten Maßnahmen gezielt gegenzusteuern. Verbraucherinnen und Verbraucher haben durch ihr Kaufverhalten mehr Einfluss, als sie denken: Saisonale, regionale und vor allem auch nachhaltig (biologisch) und somit umweltfreundliche Produkte sind gut für unsere Luft, das Wasser und die Böden. Nur mit vereinten Kräften können wir dem Insektensterben entgegenwirken."
Die Aktion im PENNY Markt wurde gezielt im Vorfeld des ersten Weltbienentags der Vereinten Nationen (20.05.2018) geplant. "Es ist paradox, dass vor allem die Landwirtschaft in hohem Maße von Insekten abhängig ist, beispielsweise für die Bestäubung der Kulturpflanzen oder für die biologische Schädlingsbekämpfung – und zugleich als einer der Haupttreiber ihres Verlustes gilt. Wenn also zukünftig die Bestäuber geschützt werden sollen, ist ein Umdenken in der Landwirtschaft unausweichlich. Die heutige PENNY Aktion trägt dabei einen wichtigen Teil zur Bewusstseinsbildung bei. Schließlich kann man sich die Folgen des alarmierenden Insektenrückgangs nicht oft genug vor Augen halten, da nicht nur die menschliche Versorgung mit Lebensmitteln gefährdet wird, sondern auch das Funktionieren der Ökosysteme. Darüber hinaus wird am heutigen Tag einmal mehr deutlich, wie groß der Handlungsbedarf für das seitens der neuen Bundesregierung angekündigte Aktionsprogramm Insektenschutz ist", mahnt Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU).
"Die Artenzahl der Insekten hat sich in den vergangenen 20 Jahren drastisch reduziert. Besonders dramatisch ist aber der Rückgang der Individuenzahlen von bis zu 70 Prozent. Ursachen und Folgen dieses massenhaften Sterbens sind bisher nur ansatzweise erforscht. Wir brauchen daher neben einem breiten öffentlichen Problembewusstsein ein bundesweites und einheitliches Insektenmonitoring. Nur so können wir rasch Handlungskonzepte entwickeln, um diesen Trend aufzuhalten und wieder umzukehren", mahnt Dr. Gerlind Lehmann, Professorin für Evolutionäre Ökologie an der Humboldt Universität zu Berlin.
Die Aktion im PENNY Markt in Langenhagen steht im Kontext der Nachhaltigkeitsstrategie der REWE Group, deren Schwerpunkt unter anderem seit rund zehn Jahren der Schutz der Biodiversität ist.
Seit 2010 beispielsweise engagieren sich in einem Gemeinschaftsprojekt der REWE Group (PENNY/REWE), Bodensee-Stiftung, BirdLife Österreich und dem Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) mittlerweile über 300 Landwirte in mehr als 20 Anbauregionen für den Schutz der Artenvielfalt im Apfelanbau in Deutschland und Österreich. 300 Hektar (entsprechen rund 420 Fußballfeldern) ein- und mehrjährige Blühflächen, über 5.500 Pflanzungen von Hecken, Bäumen und Sträuchern sowie über 2.000 Insekten-Nisthilfen bereichern heute Apfelplantagen und angrenzende Flächen, die das REWE Group Nachhaltigkeitslabel PRO PLANET unterstützen. Ab 2018 wird das Projekt auf Kartoffeln und weiteres Gemüse ausgedehnt.
Darüber hinaus wurden 6.000 Vogelnistkästen und Fledermausquartiere aufgehängt, 400 Totholzhaufen angelegt und über 1.000 Sitzstangen für Greifvögel aufgestellt. Nach der erfolgreichen Einführung des PRO-PLANET-Apfelprojektes in der Bodenseeregion erfolgte ab 2011 die Ausweitung auf weitere Anbaugebiete. Vom ökologischen Engagement profitieren auch die Obstbauern: Viele Vogelarten wirken als natürliche Helfer, weil sie schädigende Insekten oder Mäuse vertilgen. Wildbienen, Käfer, Fliegen und Schmetterlinge sichern zudem die Bestäubung der Apfelblüten. Das Projekt zeigt, dass Landwirtschaft und Naturschutz keine Gegensätze sein müssen: Im konventionellen Apfelanbau ist das Potential zur Förderung der biologischen Vielfalt groß.