Geflügelpest-Risikoampel: Wissenschaft und Wirtschaft stellen neues Onlinetool zur Seuchenprävention vor

Verbesserte Biosicherheit mindert Vogelgrippe-Risiko in Geflügelbeständen

21.06.2018 - Deutschland

Heute Mittag hat die Universität Vechta zusammen mit dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverband e. V. (NGW), der QS Fachgesellschaft Geflügel GmbH und dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG) im Rahmen einer Fachtagung die neu entwickelte Geflügelpest-Risikoampel vorgestellt. Das ab sofort zur Verfügung stehende Online-Tool bietet Landwirten die kostenfreie Möglichkeit, die individuelle betriebliche Biosicherheit bewerten zu lassen, besonders die zum Schutz vor Geflügelpest ergriffenen Maßnahmen. Dadurch können Betriebe noch besser Vorsorgemaßnahmen zum Schutz des eigenen Geflügelbestandes treffen, um so Seuchenzüge wie zuletzt 2016/17 zu vermeiden. Die fachliche Basis der Ampel lieferten 19 Experten aus Wissenschaft, tierärztlicher und landwirtschaftlicher Praxis sowie Behördenvertreter aus ganz Deutschland.

QS Qualität und Sicherheit GmbH

Präsentation Geflügelpest-Risikoampel

„Die Risikoampel beinhaltet 100 Fragen, die den Bereichen Sicherung des Betriebs, Sicherung des Stalls und Arbeitsabläufe zugeordnet sind“, erläuterte Projektleiterin Dr. Barbara Grabkowsky, Geschäftsführerin der an der Uni Vechta angesiedelten Transformationsstelle agrar Niedersachsen, bei der Fachtagung die Funktionalität der neuen Risikoampel. Über ein Multiple-Choice-System beantworten die Landwirte die Fragen, wobei das Tool in einem zweistufigen Verfahren automatisch bewertet, wie stark jeder Aspekt das Risiko eines Geflügelpesteintrags verringert oder erhöht. „Das Ergebnis ist ein nach Ampelfarben visualisiertes Ergebnis, das Auskunft über die erreichte Risikoklasse gibt“, erklärte Dr. Grabkowsky – und das hat einen ganz konkreten praktischen Nutzen für den Landwirt: „In einer Optimierungsanalyse werden alle Risikofaktoren ihrer Bedeutung gemäß aufgelistet und konkrete Hinweise zur Umsetzung im Betrieb gegeben. Mit diesem Ampelsystem kann jeder Geflügelhalter regelmäßig überprüfen, ob das eigene Biosicherheitskonzept den Betrieb noch optimal schützt.“

Vorsorgen ist besser als Räumen

Robert Römer, QS Qualität und Sicherheit GmbH und Mitglied der Projektleitung, mahnte, dass sich das Geflügelpestgeschehen von 2016/2017 nicht wiederholen dürfe: „Entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind Kosten im zweistelligen Millionenbereich entstanden. Um die Gefahr eines erneuten Seuchenzuges einzudämmen, haben es QS, NGW und ZDG als sehr wichtige Aufgabe empfunden, die Entwicklung der Risikoampel zu unterstützen. Damit geben wir Geflügelbetrieben in ganz Deutschland noch bessere Vorsorgemöglichkeiten an die Hand, um das betriebliche Biosicherheitsmanagement weiter zu optimieren.“ Auch Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft und Vorsitzender des Niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes, sieht einen erheblichen Zugewinn für alle Beteiligten: „Die neue Biosicherheitsampel wird als eine Art Eigenkontrollsystem einen entscheidenden Beitrag zu optimierten Abläufen in Bezug auf die Biosicherheit in Geflügel haltenden Betrieben leisten. Sie wirkt permanent und in jedem Betrieb und ist damit viel effektiver, als jede behördliche Kontrolle es sein könnte! Und sie fordert zwei elementare Grundlagen für erfolgreiche Biosicherheit ein: Konsequenz und Disziplin.“

Vorfahrt für Biosicherheit gewährleisten

Prof. Dr. Franz Josef Conraths, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts und Leiter des Instituts für Epidemiologie, fasste die wahrscheinlichsten Eintragsquellen der letzten Geflügelpest-Epidemie 2016/17 zusammen: „Der beste Schutz besteht darin, die Biosicherheit auf den Betrieben weiter zu verbessern.“ Er betonte, dass die gemeinsam erarbeitete Risikoampel eine auf die Eintragswege der Geflügelpest fokussierte Einschätzung gebe. „Die Verbesserung der Biosicherheit bietet eine gute Grundlage, um das Risiko eines Eintrags der Geflügelpesterreger zu senken und damit auch Bestandstötungen zu vermeiden. Die in der Risikoampel abgedeckten Bereiche sind wissenschaftlich fundiert und haben große praktische Relevanz.“

Konsequenz und Disziplin als elementare Grundlage

Die auf der Tagung anwesenden Fachleute waren sich einig: Für die Senkung des Seuchenrisikos sind die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter der Geflügel haltenden Betriebe maßgeblich verantwortlich. Das Verantwortungsbewusstsein hat sich in den letzten Jahren erhöht, doch es gibt auch noch „Luft nach oben“. Geflügelfachtierarzt Dr. Erwin Sieverding von der Praxis am Bergweg in Lohne sagte: „Der letzte Seuchenzug hat wachgerüttelt. Es hat erhebliche Verbesserungen gegeben bei Strohlagerung, Einstreumanagement und Kadaverlagerung.“  

Risikomanagement ganzheitlich denken

Dass das Risikomanagement nicht nur auf betriebliche Maßnahmen zur Verbesserung der Biosicherheit beschränkt ist, war ebenfalls Konsens der Tagung. Das Schulen des Personals in den Betrieben und die Kommunikation mit Behörden und Öffentlichkeit spielen dabei genauso eine Rolle wie die betriebliche Absicherung der finanziellen Risiken, die mit einem möglichen Seuchenausbruch verbunden sind.  
Dr. Ursula Gerdes von der Tierseuchenkasse Niedersachsen erklärte dazu: „Aufgrund einer amtlichen Tötungsanordnung hat ein betroffener Tierhalter einen Anspruch auf die Entschädigung des gemeinen Wertes der Tiere sowie auf die Übernahme der Kosten für deren Tötung und Beseitigung. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn der Tierhalter sich im Vorfeld und im Rahmen der Bekämpfungsmaßnahme rechtskonform verhalten hat.“ Im Rahmen des Seuchenzuges 2016/2017 sei dies nicht immer der Fall gewesen. Um die volle Auszahlung der Entschädigung nicht zu gefährden, müssten alle Vorgaben einwandfrei erfüllt sein, so Gerdes.

Wissenschaftsbasierte und praxisorientierte Entwicklung als Grundlage der Ampel

Das Projekt „Geflügelpest-Risikoampel“ wurde von der Universität Vechta zusammen mit dem Friedrich-LoefflerInstitut (FLI) durchgeführt. Mitarbeitende Partner im Projekt sind die QS Fachgesellschaft Geflügel GmbH, der Niedersächsische Geflügelwirtschaftsverband (NGW) sowie der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). Die wissenschaftliche Grundlage für die Wichtung der Risikofaktoren hat ein Expertenpanel erarbeitet, das mit Fachleuten aus der Tierärztlichen Hochschule Hannover, dem Friedrich-Loeffler-Institut, der Niedersächsischen Tierseuchenkasse, dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), dem Veterinäramt des Landkreises Cloppenburg, der Task Force AI aus Baden-Württemberg, dem Landesverband der Bayerischen Geflügelwirtschaft e. V., verschiedenen Tierarztpraxen aus Deutschland, der Anicon Vorsorge GmbH und Praktikern der Branche besetzt ist. Finanziell unterstützt wurde das Projekt an der Universität Vechta von der QS Fachgesellschaft Geflügel GmbH und der Dr. Alhard von Burgsdorff-Stiftung.

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