Der Billigboom in Deutschland geht weiter

06.02.2019 - Deutschland

Trotz kräftig steigender Löhne und Fast-Vollbeschäftigung: Die Verbraucher in Deutschland lieben es billig. Discounter haben zurzeit in der Bundesrepublik Hochkonjunktur und das längst nicht mehr nur bei Lebensmitteln. In immer mehr Branchen vom Modehandel bis zum Muskelaufbau treiben Billiganbieter die etablierte Konkurrenz vor sich mehr. Die Jeans von Primark, die Wohnzimmer-Dekoration von Tedi oder das Training bei McFit sind vielen längst ebenso selbstverständlich wie der Einkauf bei Aldi.

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Für den Handelsexperten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf ist die allumfassende Schnäppchenbegeisterung der Verbraucher einfach zu erklären. "Die Deutschen haben Discount dank Aldi und Lidl von Kindheit an gelernt", sagt er. Discount stehe in Deutschland dank der beiden Handelsketten für niedrige Preise und akzeptable Qualität. "Das haben die Verbraucher verinnerlicht und das hilft den Discountern auch in anderen Branchen", ist er überzeugt.

Außerdem treffe der Discount die Gemütslage vieler Bundesbürger. "Wir Deutschen sind schon ein bisschen pragmatisch beim Einkauf. Wenn wir Geld sparen können und die Qualität trotzdem stimmt, greifen wird gerne zu. Der schöne Schein drum herum ist dann nicht so wichtig", glaubt der Marketingexperte.

Vorreiter in Sachen Discount war der Lebensmittelhandel. Hier entfallen inzwischen über 40 Prozent aller Umsätze auf die Discounter. Doch haben die großen Supermarktketten wie Edeka oder Rewe inzwischen gelernt, der Billigkonkurrenz Paroli zu bieten. Trotz aller Preischarmützel scheinen die Märkte hier weitgehend verteilt.

Ganz anders ist es in den anderen Branchen. Beispiel Mode. Hier haben die Billiganbieter in den vergangenen Jahren ihren Marktanteil kräftig ausgeweitet. "Textildiscounter sind gesellschaftsfähig geworden", stellte kürzlich das Branchen-Fachblatt "Textilwirtschaft" fest. In den vergangenen Jahren hätten die Billiganbieter wie Primark, Kik, Takko oder Zeeman ihre Marktanteil stetig gesteigert.

Und ein Ende des Wachstums der Textil-Discounter ist wohl nicht in Sicht. Während mittelpreisige Anbieter wie Gerry Weber <DE0003304101> oder Esprit ihr Filialnetz gerade drastisch verkleinern, will KiK allein im Geschäftsjahr 2019 zusätzlich zu den vorhanden gut 2600 Geschäften rund 70 neue Filialen in Deutschland eröffnen. Weiße Flecken gebe es vor allem noch im süddeutschen Raum, heißt es im Unternehmen. Konkurrent Takko will fast 50 neue Geschäfte aufmachen. Und auch Primark plant in diesem Jahr die Eröffnung neuer Filialen in Berlin, Bonn, Kiel und Wuppertal.

Noch ehrgeiziger sind die Wachstumspläne beim Billiganbieter Tedi, der mit einem manchmal verwirrenden Angebot aus Schreibwaren, Bastelbedarf, Deko-Artikeln und allerlei Krimskrams in immer mehr Einkaufsstraßen auf Kundenfang geht. Tedi plant für das kommende Geschäftsjahr die Eröffnung von bis zu 150 neuen Standorten in Deutschland - durchschnittlich zwei bis drei Filialen pro Woche. "Die größte Herausforderung dabei ist, genügend geeignete Flächen für unser neues Konzept zu finden", betonte eine Firmensprecherin.

Der niederländische Tedi-Konkurrent Action steigerte im vergangenen Jahr die Zahl seiner Filialen um rund 70 auf derzeit knapp 290 Geschäfte. "Auch in 2019 planen wir in Deutschland mit vergleichbarer Geschwindigkeit wie in den vergangenen Jahren weiter zu expandieren", betonte eine Unternehmenssprecherin. Action sehe noch ein enormes Potenzial auf dem deutschen Markt.

Auch wenn es um ihre Fitness geht, drehen die Bundesbürger den Euro gerne zweimal um. Nach einer Branchenstudie der Unternehmensberatung Deloitte sind gleich fünf der zehn mitgliederstärksten Fitnessketten im Discountsegment positioniert - darunter die ersten drei im Ranking: McFit, Clever fit und FitX.

"Insbesondere das Mitgliederwachstum der Discount-Fitnessketten sorgte für weitere Wachsumsimpulse", heißt es in der Studie zum deutschen Fitnessmarkt. "Die Anbieter gewinnen oftmals Mitglieder, die noch nie in einem Fitnessstudio angemeldet waren."

Bei Möbeln funktioniert das Billig-Konzept mit Preisen noch deutlich unter dem Ikea-Niveau offensichtlich ebenfalls nicht schlecht. Der Möbel-Discounter Poco jedenfalls plant im laufenden Jahr weitere Neueröffnungen. "Wir sehen trotz des steigenden Wettbewerbsdrucks gute Perspektiven", betonte das Unternehmen auf Anfrage.

Mit einem Ende des Billigbooms in absehbarer Zeit wohl nicht zu rechnen. In der im vergangenen Jahr vom Bundesumweltministerium herausgegebenen repräsentativen Jugend-Studie "Zukunft? Jugend fragen!" gaben immerhin 30 Prozent der Befragten an, ihnen sei es persönlich sehr wichtig "möglichst preisgünstig einzukaufen". Und noch mehr der befragten 14- bis 22-Jährigen - nämlich 40 Prozent - waren überzeugt, dass der preisgünstige Einkauf den Menschen in Zukunft sehr wichtig sein werde./rea/DP/zb (dpa)

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