Der Covid-19-Lockdown kann dem Online-Lebensmittelhandel zum Durchbruch verhelfen

25% der Verbraucher wollen mehr Lebensmittel online einkaufen

09.06.2020 - Deutschland

Die Covid-19-Krise verleiht dem Online-Lebensmittelhandel Rückenwind. So gehören Nahrungsmittel mit 19% neben Arzneimitteln (25%) sowie Bekleidung und Schuhen (25%) zu den Produkten, die in Deutschland im Februar und März online am meisten gekauft wurden. Zudem ist auch die Tendenz steigend: In allen genannten Kategorien planen Verbraucher bis Juni mehr Online-Bestellungen. Das höchste prognostizierte Wachstum in Bezug auf geplante Online-Einkäufe verzeichnet dabei der Lebensmittelbereich: Jeder vierte deutsche Verbraucher will dies künftig häufiger tun.

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Lebensmittel- und andere Online-Händler können die Sondersituation des Lockdowns nutzen, um Erstkäufer von ihrem Angebot und den Lieferkonditionen zu überzeugen. Entscheidend dafür ist vor allem der Service: 90% der Befragten prüfen Versand- und Lieferbedingungen, bevor sie zur Online-Kasse gehen. Dabei sind die Ansprüche der Konsumenten in Deutschland erneut gestiegen: 49% der befragten Internetnutzer beurteilen eine Lieferung am selben Tag als wichtig für die Entscheidung zur Online-Bestellung (vs. 37% im Jahr 2019). Das sind die zentralen Ergebnisse der "Home Delivery Survey 2020". Die repräsentative Studie wird jährlich von der globalen Unternehmensberatung AlixPartners durchgeführt. In Deutschland wurden für eine repräsentative Erhebung vom 27. März bis 2. April 2020 mehr als 1.000 Verbraucher zu ihrem Online-Konsumverhalten befragt.

"Auch beim E-Commerce profitieren primär solche Player vom aktuellen Online-Boom, die bereits vor der Krise über eine stabile Liefer- und Servicestruktur verfügten. Steigende Nachfrage verzeichnen vor allem einzelne Produktkategorien, die für Verbraucher im Lockdown und darüber hinaus relevant sind. Dazu zählen neben Lebensmitteln und bequemer Kleidung auch die Ausstattung für das Homeoffice", kommentiert Peter Heckmann, Managing Director und Retail-Experte bei AlixPartners, die Studienergebnisse. "Die zusätzlichen Online-Umsätze können jedoch die Verluste im Filialgeschäft meist nicht kompensieren. Zwar profitieren Online-Händler von höheren Umsätzen, haben aber durch die Covid-19-Krise auch stark steigende Kosten, wie beispielsweise kurzfristige Anpassungen der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen."

Lebensmittel gehören in Deutschland nach wie vor zu den Produktkategorien, die Verbraucher eher nicht auf ihre Online-Einkaufsliste schreiben. Dabei nimmt die Skepsis langsam, aber sicher ab. Mehr als ein Viertel (26%) haben schon einmal Lebensmittel bei einem Internetanbieter bestellt. Die Zahl der Skeptiker ist gegenüber dem Vorjahr um vier Prozentpunkte gesunken. Laut AlixPartners könnte die Covid-19-Krise dazu führen, dass Deutschland schneller zu den US-Ergebnissen aufschließt. Hier haben in den vergangenen zwölf Monaten bereits 46% der Bevölkerung online Lebensmittel geordert.

"Die Lebensmittellieferdienste stehen jetzt vor der operativen Herausforderung, trotz der steigenden Nachfrage die strengen Hygieneauflagen konsequent zu implementieren und gleichzeitig die logistische Infrastruktur zu skalieren. Nur so können die Anbieter ihren Neukunden ein überzeugendes Einkaufserlebnis bieten und sie dadurch langfristig binden", sagt Heckmann. Für Lebensmittellieferdienste ist die Krise somit eine echte Chance, da sich in der aktuellen Sondersituation immer mehr Kunden offen dafür zeigen, das Angebot zu testen. Somit ist ein nachhaltiger Durchbruch des Online-Shoppings von Lebensmitteln nach der Covid-19-Krise möglich.

Service- und Lieferbedingungen müssten jedoch verbessert werden, denn auf Verständnis bei längeren Lieferzeiten dürfen Anbieter nicht hoffen. Im Gegenteil: Die Anforderungen an die Frische der Produkte und extrem kurze Lieferzeiten steigen aktuell sogar eher noch. Das Hauptkriterium, an dem Anbieter im Online-Handel gemessen werden, sind Lieferoptionen und -zeiten. Für frische Produkte wünschen sich 42% der Konsumenten ähnlich wie im Vorjahr ein Zustellfenster von maximal einer Stunde. Darüber hinaus könnte "Same Day Delivery" beim Lebensmittel-Online-Shopping zu einem weiteren Schub führen, sofern die Gebühren bei maximal fünf Euro liegen: 31% der Befragten würden dann das Online-Shopping klar dem Filialbesuch vorziehen. Auch die Erwartungshaltung bei kostenlosem Versand ist für die Online-Einkäufe in allen Produktkategorien gestiegen: Konsumenten sind im Schnitt nur noch bereit, 2,4 Tage auf ihre Lieferung zu warten. 2019 waren es noch drei Tage.

Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Der von vielen Multichannel-Händlern mit großen Erwartungen gestartete "Click & Collect"-Service kommt bisher im deutschen Markt nicht richtig vom Fleck. So wurden im vergangenen Jahr nur 4% der Online-Bestellungen in der Filiale abgeholt. Damit liegt die tatsächliche Quote deutlich unter den Erwartungen aus 2019: 35% der Befragten hatten damals angegeben, 2020 In-Store-Pick-up nutzen zu wollen. "Hier kann eine Umstrukturierung und Automatisierung der Abläufe sowie ein klar vom Verkaufsraum getrennter "Click & Collect"-Abholbereich zu weiterer Akzeptanz verhelfen. Der Erfolg der DHL-Paketboxen zeigt, in welche Richtung sich diese Form des Einkaufens entwickeln sollte. Nicht zuletzt schafft der digitale Abholcode für die Pick-up-Box auf dem Kundenparkplatz auch eine Unabhängigkeit von den in Deutschland immer noch sehr strikten Ladenöffnungszeiten", so Heckmann.

Neben den Lieferbedingungen hält offenbar vor allem die Skepsis gegenüber Frischwaren die Verbraucher zurück, Lebensmittel regelmäßig online zu bestellen. So bestehen die größten Bedenken bezüglich der Qualität und Frische der gelieferten Produkte. Die gute Nachricht jedoch: Dieser Wert ist gegenüber der Umfrage im Jahr 2019 stark zurückgegangen (46% 2020 vs. 56% 2019). Erst danach folgt als Kritikpunkt das zu kleine Sortiment (26%). Der Preis, der in anderen Branchen (beispielsweise bei Elektronik) ausschlaggebend für die Online-Kaufentscheidung ist, rangiert dagegen erst auf Platz sechs (23%). "Es ist kein Zufall, dass sich die Marktkapitalisierung der Kochboxen-Versender in den vergangenen zwölf Monaten vervielfacht hat. Nach langer Skepsis der Verbraucher gegenüber dem Online-Lebensmittelhandel hat der Lockdown offensichtlich zu einem echten Umdenken geführt. Auf dieses veränderte Verbraucherverhalten muss sich der Lebensmitteleinzelhandel nun mit entsprechenden Angeboten und einer skalierbaren Infrastruktur einstellen, um den Kundenerwartungen gerecht zu werden", so das Fazit von Heckmann.

Über die Studie

Die "AlixPartners Home Delivery Shopping Survey 2020" basiert auf der Online-Befragung eines deutschlandweiten Samples von 1.004 Kunden über alle Regionen, demografischen Faktoren und Einkommenslevel hinweg. Dabei wurden die Einkaufsgewohnheiten, Erfahrungen und Wünsche beim Online-Shopping abgefragt. Diese wurden mit Entwicklungen in den USA und Italien abgeglichen, um so weitere Einsichten in Konsumentengewohnheiten zu gewinnen und aufkommende Trends im Bereich des Home Delivery Shopping frühzeitig zu erkennen.

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