Keine Semmeln mehr im Müll

Bäckereien kämpfen gegen Lebensmittelverschwendung

26.08.2020 - Österreich

Rund 25% des österreichischen Restmülls besteht laut einer aktuellen Studie der BOKU Wien aus Lebensmittelabfällen. Über die Hälfte gilt als vermeidbar: Also einwandfreie Lebensmittel, die entsorgt statt gegessen werden. Einen bedeutenden Teil machen hier Brot, Backwaren sowie Konditorei aus. Vier Bäckereien berichten über Warendruck, die Zusammenarbeit mit einer App gegen Lebensmittelverschwendung und weitere Wege, Essen zu retten.

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Egal ob Roggen- oder Dinkelbrot, Semmerl, Topfengolatsche oder auch ein ganzer Strudel: Abends bleibt in Bäckereien auch nach Ladenschluss oft viel übrig. Laut einer aktuellen Analyse der BOKU Wien machen Brot sowie Süß- & Backwaren allein im österreichischen Restmüll 28% der vermeidbaren Menge verschwendeter Lebensmittel aus. Andere Entsorgungswege wie Biomüll, Kompostierung und Verfütterung an Nutztiere kommen hier als Dunkelziffer noch hinzu. Insgesamt sind es in Österreich eine Million Tonnen Lebensmittel, die jährlich verschwendet werden und unseren Planeten belasten. Vier Bäckerei- und Konditoreibetriebe aus ganz Österreich geben einen Blick hinter die Kulissen.

Das Auge isst mit: Volle Vitrinen bis zur letzten Sekunde

Die Gründe hierfür sind vielfältig, erklären die BäckerInnen, jedoch überall gleich. Die Einschätzung wie hoch die Nachfrage für den kommenden Tag sein wird, muss bereits in den frühen Morgenstunden oder sogar Tage davor getroffen werden. Doch gerade die ist von Faktoren abhängig, die nicht im eigenen Einflussbereich liegen, wie etwa dem Wetter. In der aktuellen Zeit ist es außerdem noch schwieriger abzuschätzen, wie stark die Kundenfrequenz sein wird.

Es ist jedoch vor allem der Warendruck, der für volle Vitrinen am Ende des Tages sorgt. Yilmaz Duman, Geschäftsführer der Brötchenwelt in Wien erklärt warum: “Natürlich möchte man seiner Kundschaft einerseits eine vielfältige Auswahl anbieten. Jedoch ist es so, dass heutzutage die Erwartungshaltung besteht, zu jeder Uhrzeit volle Vitrinen vorzufinden, egal ob im Supermarkt oder in der Bäckerei. Sonst bleibt die Kundschaft aus. Daher braucht es Lösungen, die genau auf dieses Dilemma eingehen“, so der Bäckermeister.

So ist auch klar, dass es keinen “üblichen Verdächtigen” im Sortiment geben kann, der öfters am Tagesende entsorgt werden muss. Vom Kornspitz über den Laib Brot hin zur Golatsche, Esterhazyschnitte oder ganzen Torte, je nach Sortiment kann alles mal übrigbleiben. Georg Strasser, Geschäftsführer von Too Good To Go, der App gegen Lebensmittelverschwendung fasst das Problem zusammen: “Jeder Bäcker und jede Bäckerin weiß aus Erfahrung ungefähr, wieviel am Ende des Tages übrigbleibt. Aber niemand kann vorhersagen, worauf die Kundschaft an dem Nachmittag Lust hat - oder eben auch nicht. Aber ich versichere Ihnen, niemand schmeißt gerne Lebensmittel weg.

Um den Gang zur Mülltonne am Ende des Tages zu vermeiden, nutzen die Betriebe einige Möglichkeiten. So arbeiten viele Bäckereien mit karitativen Organisationen oder regionalen Landwirten zusammen, die die übriggeblieben Lebensmittel als Tierfutter weiterverwenden. Auch dürfen MitarbeiterInnen Speisen mit nach Hause nehmen. Trotzdem bleibt einerseits wegen der schieren Menge, aber auch wegen der logistischen Hürden genießbare Ware manchmal trotzdem übrig. Oft können beispielsweise kleinere Mengen nicht mehr weiterverteilt oder abgeholt werden. Daher blieb in der Vergangenheit oftmals nur noch der Weg in die Biogasanlage oder tatsächlich in die Mülltonne übrig.

Konsumenten-App als Lösung gegen Verschwendung

Um Lebensmittelverschwendung komplett aus dem Sortiment zu streichen, nutzen die vier Betriebe außerdem seit rund einem Jahr Too Good To Go, die App gegen Lebensmittelverschwendung. Über die App werden restliche Portionen vergünstigt an Selbstabholer weitergegeben.

Obwohl wir unsere Speisen spenden und an MitarbeiterInnen weitergeben, mussten wir ab und zu trotzdem Dinge entsorgen. Durch Too Good To Go entfallen zwar einerseits Entsorgungskosten, aber vor allem die Umwelt profitiert von dem Konzept”, erklärt Stefan Heissenberger, Geschäftsführer des bekannten Grazer Betriebs Delikatessen Frankowitsch, der seit dem Steiermark-Start die App für Süßspeisen aber auch belegte Brötchen nutzt.

Die Speisen werden direkt in der App bezahlt und in Form von Überraschungssackerl abgeholt, wodurch auch Kleinstmengen noch weitergegeben werden können: “Wir schätzen unsere Ware sehr und sehen diese nicht gerne im Abfall.”, berichtet Daniel Čolaković, Geschäftsführer der Bäckerei 15 süße Minuten in Wien, der die App in allen Filialen nutzt. “Mit Too Good To Go können unsere Backwaren unkompliziert weitergegeben werden und dem ein oder anderen so eine Freude machen.

Auch in Oberösterreich wird Too Good To Go genutzt, um Backwaren vor der Verschwendung zu retten. Die Bäckerei Winkler wurde im Herbst von den Betreibern direkt angesprochen und ist seither mit allen Filialen dabei. Seither wurden gemeinsam über neun Tonnen Backwaren gerettet. “Der Grund, warum man damit Lebensmittelverschwendung so effizient vermeiden kann, liegt in der einfachen Handhabung für mich als Betrieb aber auch als User”, erklärt Geschäftsführerin Antje Winkler.

Brösel für Brösel den Planeten retten: 4 Betriebe – 15 Tonnen.

Die App bietet den Betrieben also die Möglichkeit, Einzelportionen vor der Verschwendung zu retten. Doch auch das summiert sich, in den genannten Betrieben konnten alleine 15.000 Portionen noch vermittelt werden. Das entspricht einem CO2e Ausstoß von 37.5 Tonnen oder 125 Flügen von Wien nach London. Weltweit wird rund ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen und so die Umwelt belasten. Der Weg vom Feld auf den Teller ist ein weiter, bei dem zahlreiche Ressourcen etwa bei Transport, Verarbeitung oder Kühlung aufgebracht werden. Als Land wäre Lebensmittelverschwendung nach China und den USA der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasen und trägt so maßgeblich zur Klimakrise bei. Jeder Kilo gerettetes Essen entspricht einem CO2-Äquivalent von 2,5 Kilogramm. Mit Too Good To Go konnten seit August 2019 über rund 310.000 Kilo Lebensmittel gerettet.

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