Lebensmittelgeschäft im Internet boomt weltweit
Bain-Studie zum Onlinehandel
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Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Corona-Krise Mitte April 2020 stieg der Marktanteil von im Internet gekauften Lebensmitteln in Großbritannien auf 12,4 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte er bei 8,1 Prozent gelegen. In Frankreich erhöhte er sich von 6,0 auf 10,2 Prozent, in den USA von 5,1 auf 6,6 Prozent und in Italien von 2,0 auf 4,3 Prozent. In Deutschland liegt dieser Wert im Ländervergleich auf einem niedrigen Niveau, wenngleich er ebenfalls deutlich von 1,5 auf 2,9 Prozent anstieg.
"Der lang erwartete Onlineboom stellt für den Lebensmittelhandel allerdings auch ein Risiko dar", erklärt Miltiadis Athanassiou, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Einzelhandel in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika (EMEA). "Denn die meisten Anbieter erwirtschaften mit den nach Hause gelieferten oder im Geschäft abgeholten Bestellungen deutlich weniger als mit klassischen Verkäufen vor Ort." Oft führe jede Kundenorder sogar zu einem Verlust. "Trotzdem sollten die Lebensmittelhändler auf das zukunftsträchtige Onlinegeschäft nicht verzichten", so Athanassiou weiter. "Wer das tut, vermeidet zwar möglicherweise kurzfristige Gewinnrückgänge, verliert aber langfristig seine Wettbewerbsfähigkeit."
Umbruch nicht ignorieren
Der dauerhafte Erfolg des Lebensmittelverkaufs im Web hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab. Zum einen spielen die Erfahrungen der Endkunden eine Rolle: Wie zuverlässig liefert der Händler und wie frisch sind die bestellten Nahrungsmittel? Zum anderen ist das Zurückfahren der Lockdowns von Bedeutung: Wie schnell lockert die Politik Schutzmaßnahmen, die derzeit noch viele Käufer vom Shoppen im stationären Lebensmittelhandel abhalten? In der Bain-Studie wird diesbezüglich von drei Szenarien ausgegangen - von einer weiteren Pandemiewelle, einem kontinuierlichen Aufheben der Restriktionen und einer raschen Rückkehr zum traditionellen Lebensmitteleinkauf.
Mit einem besonders starken Schub für das Lebensmittelgeschäft im Internet ist bei Eintreten des ersten Falls zu rechnen. Bis 2025 würde der Marktanteil in Großbritannien laut Studie auf 14 Prozent steigen, in Frankreich auf 13 Prozent, in den USA auf 11 Prozent, in Italien auf 8 Prozent und in Deutschland auf immerhin 4 Prozent. "Doch selbst ohne einen weiteren Lockdown wird der Onlinekanal aller Voraussicht nach schneller wachsen als vor der Pandemie prognostiziert", stellt Marie-Therese Marek, Associate Partner bei Bain und Retailexpertin, fest. "Und die Gefahr ist groß, dass sich Lebensmittelhändler und Lieferfirmen auf diesen Umbruch nicht rechtzeitig einstellen."
Allerdings sind bisherige Geschäftsmodelle nicht eins zu eins auf den Onlineeinkauf übertragbar. Wer es dennoch versucht, gefährdet die im Lebensmittelhandel derzeit gängige Gewinnspanne von rund 2 bis 4 Prozent. Mehr noch: Es droht eine negative operative Marge von bis zu minus 15 Prozent, wenn der Händler die bestellten Lebensmittel im Geschäft selbst kommissioniert und dem Onlinekunden ohne Aufpreis liefert. Minus 11 Prozent sind es, wenn dies über ein nicht für Kunden zugängliches Lager (Darkstore-Modell) erfolgt. "Auch die bereits verbreiteten Click-and-Collect-Lösungen, bei denen die online bestellte Ware vom Käufer im Geschäft vor Ort abgeholt wird, sind nur unter bestimmten Rahmenbedingungen kostendeckend", so Branchenkennerin Marek.
Mit drei Strategien zum Erfolg
Um den geschäftlichen Erfolg für die Zukunft abzusichern, sollte der Lebensmittelhandel den Fokus auf drei Handlungsfelder legen:
- Multikanalmodell optimieren. Branchenvorreiter kombinieren clever Online- und Offlinehandel. Sie setzen verstärkt auf das Darkstore-Modell und geben der automatisierten Produktauswahl sowie -verpackung den Vorzug vor manuellen Tätigkeiten. Zudem errichten sie rasch neue, dezentrale Lieferstationen.
- Profitable Umsatzquellen erschließen. Lebensmittelhändler und Lieferanten erarbeiten neue Geschäftsstrategien, die beiden langfristig entscheidende Vorteile bringen. Dazu zählen gemeinsam finanzierte Markenaktionen, kostenlose Probeartikel für Kunden, die regelmäßig online einkaufen, sowie ein intensiver Informationsaustausch über deren Konsumgewohnheiten.
- Subventionierte Verkäufe reduzieren. Der Handel beteiligt die Kunden an den Onlinekosten. Durch eine faire, nachvollziehbare Preiskalkulation lassen sich die operativen Margen je nach Ausgangsposition um bis zu 20 Prozent steigern. Möglich wird dies beispielsweise durch ein kostenloses Mindesteinkaufsvolumen, Rabatte für gewinnstarke Eigenmarken oder höhere Preise für Eillieferungen.
"Die Lebensmittelhändler sollten jetzt die strukturellen Kostenprobleme ihrer Onlineverkaufskanäle konsequent angehen und sich so eine gute Ausgangsposition für diesen rasch wachsenden Markt schaffen", betont Bain-Partner Athanassiou. "Es gilt einen Weg zu finden, die vielen neuen Internetkäufer durch individuelle Serviceangebote zu überzeugen, zu binden und dabei gleichzeitig das Onlinegeschäft profitabel zu gestalten. Wem dies gelingt, der wird auch in der Nach-Corona-Zeit vom anhaltend hohen Lebensmittelkauf im Web profitieren."