Corona-Auswirkungen: Wie man ein Team während der Pandemie effektiv führt

Führung im krisenbedingten digitalen Wandel sollte beziehungs- und aufgabenorientiert sein, Autonomie und Teamzusammenhalt fördern

04.11.2020 - Deutschland

Die COVID-19-Pandemie hat vor allem die Dienstleistungsbranche hart getroffen. Aufgrund der Hygienemaßnahmen arbeiten viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice. Der Frage, wie Führungskräfte trotz der veränderten Situation die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Mitarbeiter erhalten können, sind nun erstmals zwei Arbeitsgruppen von der Universität Hohenheim in Stuttgart und der Ludwig-Maximilians-Universität München nachgegangen. Sie befragten dazu 206 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Dienstleistungsunternehmen aus den Bereichen Medien, Versicherungen, Beratung und Bildung. Dabei erwies sich ein beziehungsorientiertes Führungsverhalten, das ein hohes Maß an Autonomie gewährleistet, gepaart mit einem Führungsstil, der stärker auf die Aufgaben fokussiert ist, als besonders geeignet. Beide Führungsansätze fördern den Teamzusammenhalt, und tragen somit dazu bei, während Krisensituationen die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter in einer digitalen Umgebung zu erhalten.

Durch die COVID-19-Pandemie haben sich die Arbeitsbedingungen vieler Arbeitnehmer schnell und unerwartet geändert: Von heute auf morgen mussten sie ihren Arbeitsplatz aus der Firma nach Hause verlegen und arbeiteten im Homeoffice vorwiegend digital.

Die Dienstleistungsbranche wurde von den Einschränkungen infolge der Corona-Krise besonders getroffen. Unternehmen in wesentlichen Bereichen, wie im Gesundheitswesen, im Lebensmitteleinzelhandel und in der Logistik, konnten weiterhin arbeiten, sie mussten jedoch geeignete Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Beschäftigten und Kunden ergreifen. Andere, wie Friseurgeschäfte, Fluggesellschaften und Hotels, mussten aufgrund der Sperrmaßnahmen vorübergehend komplett schließen.

Eine dritte Gruppe von Dienstleistungsunternehmen, die beispielsweise in den Bereichen Finanzen, Beratung, Medien und Bildung tätig sind, musste sich unerwartet anpassen und eingespielte Abläufe rasch ändern, um die Firma am Laufen zu halten. Viele Mitarbeiter fanden sich plötzlich in einem digitalen Arbeitsumfeld wieder, bei denen die Teammitglieder räumlich getrennt sind und nur über technische Hilfsmittel miteinander in Kontakt stehen.

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Digitaler Wandel in Krisenzeiten: Eine besondere Herausforderung

Stellt bereits der digitale Wandel an sich eine Herausforderung für Führungskräfte und Mitarbeiter dar, hat die pandemiebedingte und erzwungene Transformation die Unternehmen völlig unvorbereitet getroffen. Die Lage wurde für Führungskräfte und Mitarbeiter dadurch noch verschärft, dass der plötzliche Wechsel zu einer digitalen Arbeitsweise oft von zusätzlichen familiären Pflichten begleitet war, wie zum Beispiel der Kinderbetreuung oder dem Homeschooling.

„In solchen Situationen kann es Mitarbeitern schnell an Klarheit bei ihren Aufgaben und den Mitteln zu ihrer Erfüllung mangeln. Daher sollten Führungskräfte das virtuell arbeitende Team mit Blick auf dessen Flexibilitätsbedürfnisse wie auch die konkret zu erfüllenden Aufgaben managen, da sie die Ziele, Ressourcen und Prozesse des gesamten Teams am besten kennen“, erklärt Prof. Dr. Marion Büttgen vom Institut für Marketing & Management an der Universität Hohenheim.

Erste empirische Studie zum Einfluss von digitaler Führung in Krisenzeiten

Doch bislang gab es keine Erkenntnisse darüber, wie es in einer schnellen und unvorhersehbaren organisatorischen Veränderung, wie sie durch die Corona-Krise notwendig wurde, Führungskräften gelingen kann, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Mitarbeiter in einer bisher unbekannten digitalen Arbeitsumgebung aufrechtzuerhalten.

Ellen Weber, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Büttgen, hat zusammen mit Forscherinnen von der Ludwig-Maximilians-Universität München 206 Mitarbeiter in Dienstleistungsunternehmen befragt, die aufgrund der COVID-19-Pandemie unerwartet ins Homeoffice wechseln mussten. Sie wollten wissen, wie sich in Krisenzeiten das Verhalten der Führungskräfte auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter in einer digitalen Arbeitsumgebung auswirkt.

Die Befragung erfolgte während des Lockdowns von April bis Mai 2020, als die Firmen schnell auf eine virtuelle Arbeitsweise umsteigen mussten. „Dabei haben wir uns auf zwei scheinbar gegensätzliche Führungsstile konzentriert: das aufgabenorientierte und das beziehungsorientierte Führungsverhalten“, erklärt Prof. Dr. Marion Büttgen.

Während die aufgabenorientierte Führung auf das Erreichen von Unternehmenszielen fokussiert ist und dabei Aufgaben zuteilt, die Ziele jeder Aufgabe erklärt und die Arbeitsprozesse kontrolliert, konzentriert sich die beziehungsorientierte Führung auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Teammitgliedern, auf Eigenverantwortlichkeit, Flexibilität sowie die Schaffung eines kooperativen und unterstützenden Arbeitsklimas.

Teamzusammenhalt und Arbeitsplatzautonomie fördern Leistungsfähigkeit entscheidend

„Entgegen unserer Annahmen muss eine aufgabenorientierte Führung nicht grundsätzlich negativ sein. Obwohl dabei die individuelle Arbeitsplatzautonomie eingeschränkt wird, verbessert sie den Zusammenhalt im Team“, beschreibt Ellen Weber. Ein möglicher Grund könnten nicht vorhandene virtuelle Teamstrukturen sein. „Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind durch die neuen technologiebasierten Arbeitsmethoden und die familiären Verpflichtungen stark verunsichert und gestresst. Durch den aufgabenorientierten Führungsstil wird die Aufgabenkoordination übernommen und Erwartungen an die Mitarbeiter formuliert, was in einer krisenbedingten virtuellen und für die Mehrheit der Mitarbeiter völlig neuen Arbeitsumgebung besonders wichtig ist. Er gibt eine klare Struktur vor, die Sicherheit vermittelt und kann so den Zusammenhalt der Teams stärken.“

Doch die Leistung der Mitarbeiter wird nicht ausschließlich durch den Teamzusammenhalt gefördert. Ebenfalls wichtig ist die Autonomie des einzelnen Mitarbeiters. Beides unterstützt der beziehungsorientierte Führungsstil, bei dem Führungskräfte es ihren Mitarbeitern ermöglichen, die Initiative zu ergreifen, aus Fehlern zu lernen und schwierige Situationen auf ihre eigene Weise zu bewältigen. Zudem gewähren sie ihnen Flexibilität, wann und wie Arbeit ausgeführt werden kann, und fördern die Teamarbeit.

Aufgaben- und beziehungsorientierter Führungsstil ergänzen sich

„In Krisenzeiten sollte es bei der Führung eines virtuellen Teams also keine Entscheidung zwischen Aufgaben- und Beziehungsorientierung geben. Vielmehr ist beides wichtig, allerdings mit einer stärkeren Betonung des beziehungsorientierten Führungsverhaltens. Denn dieses entfaltet ausschließlich positive Wirkungen, während eine aufgabenorientierte Führung die empfundene Autonomie der Mitarbeiter einschränkt, was sich negativ auf die Leistung auswirken kann“, fasst Prof. Dr. Büttgen zusammen.

„Überrascht hat uns auch, dass sich die gefühlte Anspannung bei der Arbeit und Spannungen im Team nicht negativ auf die Leistung der Mitarbeiter auswirken“, sagt Ellen Weber. „Wir hatten erwartet, dass auch diese relevant sind. Doch möglicherweise führt Angst vor den negativen Konsequenzen dazu, dass die Arbeitnehmer ihre Leistung auch in einer solchen Krisensituation aufrecht erhalten.“

Digital ausgereiftere Unternehmen bewahren Leistungsniveau bei ihren Mitarbeitenden

Eine entscheidende Rolle spielt auch die digitale Reife eines Unternehmens, also inwieweit dort bereits digitale Neuerungen und Arbeitsprozesse etabliert worden sind und eine digital denkende Organisationskultur gepflegt wird. So scheinen digital ausgereiftere Unternehmen besser in der Lage zu sein, bei ihren Mitarbeitenden auch in Krisenzeiten ein hohes Leistungsniveau abzurufen, unabhängig vom Führungsverhalten.

Für Prof. Dr. Büttgen unterstreicht dies die Relevanz von Investitionen in die Digitalisierung und den Aufbau digitaler Fähigkeiten im gesamten Unternehmen: „Die COVID-19-Pandemie könnte zu einem wesentlichen Treiber des digitalen Wandels werden.“

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