Der aktuelle Fleischatlas 2021 für Österreich
Fleischkonsum muss dringend reduziert werden
GLOBAL 2000
Der aktuelle Fleischatlas 2021 für Österreich, der von GLOBAL 2000 gemeinsam mit VIER PFOTEN herausgegeben wird, warnt nun: Weltweit gibt es kein einziges Land mit einer nachhaltigen Strategie zur Reduktion von Fleischkonsum und -produktion. Österreich ist da leider keine Ausnahme.
Der Fleischatlas wird in Deutschland seit acht Jahren von der Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit dem BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, einer Partnerorganisation von GLOBAL 2000, herausgegeben. Die Österreich-Ausgabe erscheint nun 2021 zum zweiten Mal, diesmal in Kooperation mit VIER PFOTEN. Der Fleischatlas beleuchtet die Probleme, die aus der industriellen Fleischproduktion entstehen, und liefert neue Daten und Fakten sowie Entwicklungen für Österreich und den Rest der Welt.
Politik darf Verantwortung nicht an KonsumentInnen abwälzen
„Die österreichische Politik schiebt die Verantwortung in dieser Frage auf die Konsumentinnen und Konsumenten ab. Sie hat den Ernst der Lage sichtlich noch immer nicht erkannt. Um den Fleischkonsum nachhaltig zu verringern, müssen in erster Linie entsprechende staatliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es braucht ein umfassendes Maßnahmenpaket: ein Verbot von Rabattaktionen bei Fleisch, die Förderung pflanzlicher Alternativen, vor allem in der Gemeinschaftsverpflegung, und eine Gesetzgebung, die Umweltschutz, Tierwohl und eine faire Entlohnung für Landwirtinnen und Landwirte fördert. Denn die derzeitige Preise für Fleisch bilden die Kosten der Produktion bei weitem nicht ab“, so Dagmar Gordon, Leiterin der Abteilung für Biodiversität , Landwirtschaft, Ernährung und Chemie bei GLOBAL 2000, „Darüber hinaus müssen noch dieses Jahr die gesetzlichen Voraussetzungen für eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungs-Kennzeichnung geschaffen werden, damit KonsumentInnen ihren Teil der Verantwortung überhaupt wahrnehmen können."
Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Emissionen gehen in Österreich auf das Konto der Nutztierhaltung. Nicht miteingerechnet sind dabei die Abholzung des Regenwaldes und der Import von Fleisch aus anderen Ländern. Österreich ist außerdem auf den Import eiweißreicher Futtermittel, v.a. Soja, für seine Tiere angewiesen. In Summe erzeugt die Ernährung der Österreicherinnen und Österreicher rund 12,5 Millionen Tonnen CO2 und damit mehr als der Personenverkehr auf den Straßen Österreichs (12 Millionen Tonnen CO2).
Weniger Nutztiere, aber in besserer Haltung
Eine ökologisch vertretbare Viehwirtschaft bedeutet auch, dass Österreicherinnen und Österreicher den Fleischkonsum reduzieren. Eva Rosenberg von VIER PFOTEN dazu: „Das Motto muss sein: weniger Nutztiere, aber in besserer Haltung. Wir wissen aus Umfragen, dass für Österreicherinnen und Österreicher Tierschutz einen hohen Stellenwert hat. Die Politik trägt dem aber nicht Rechnung. Vor allem die gesetzlichen Standards in der Schweinehaltung sind eine Schande. Das System Fleischindustrie stützt sich vor allem auf Massenproduktion und Preisdruck. Wir brauchen unbedingt ein Verbot von Sonderangeboten bei tierischen Produkten und eine gesetzliche Kennzeichnung nach Herkunft und Haltung, um Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusste Kaufentscheidungen zu ermöglichen.“
Im europäischen Vergleich liegt Österreich beim Fleischkonsum im Spitzenfeld. 2019 lag der Verzehr pro Kopf im Durchschnitt bei 62,6 Kilogramm. Erst in den letzten fünf Jahren ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen, aber kein eindeutiger Trend. Problematisch ist, dass in keinem westlichen Industrieland der Fleischkonsum wesentlich zurückgeht. Lediglich junge Menschen zwischen 15 und 19 Jahren ernähren sich wesentlich häufiger vegetarisch oder vegan, wie eine Befragung für den Fleischatlas in Deutschland ergab. Viele Junge Menschen sehen Ernährung nicht nur als eine individuelle Entscheidung, sondern wollen, dass der Staat stärker eingreift - so sieht das auch die Wissenschaft: Eine umfassende Studie des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und Ernährung der deutschen Bundesregierung aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass die Verantwortung für Ernährungsfragen derzeit zu stark individualisiert ist. Fachgremien wie der Weltklima- und der Weltbiodiversitätsrat empfehlen deutlich stärkere Interventionen der Politik, um eine weitreichende Umstellung bei der Ernährung in der breiten Bevölkerung zu garantieren.
„Der Wandel hin zu einer stärker pflanzenbetonten Ernährung ist eine gewaltige Herausforderung – aber unbedingt notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Die Politik unterschätzt die Bedeutung der Ernährung für den Klimaschutz noch immer dramatisch“, betont Dagmar Gordon von GLOBAL 2000, „Es kann nicht sein, dass hier nur auf die Eigenverantwortung der Menschen gesetzt wird. Umweltschutz und Tierschutz sind in der österreichischen Verfassung als Staatsziele festgeschrieben und die Regierung hat den Auftrag, danach zu handeln, in unser aller Interesse. Es gilt, keine Zeit mehr zu verlieren!“