Wie können Lieferwege regionaler Produkte nachhaltig gestaltet werden?

Studierende entwickelten Handlungsempfehlungen für Belieferung des REWE-Marktes Wiesbaden/Erbenheim mit Produkten lokaler und regionaler Anbieter

08.03.2022 - Deutschland

Mit der Frage, wie die Produkte von Bauernhöfen und weiteren regionalen Lieferanten aus Hessen unter ökologischen und ökonomischen Aspekten nachhaltig in den REWE-Markt in Wiesbaden-Erbenheim gelangen, haben sich 16 Studierende der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) im Wintersemester 2021/22 beschäftigt. Sie studieren im Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft bzw. International Business Administration mit dem Studienschwerpunkt Produktionsmanagement und Logistik. Die Studierenden haben die logistischen Prozesse und Abläufe der kleinen, mittleren und großen Betriebe, die sich unter dem Dach der Labels „Landmarkt“, „Aus deiner Region“ sowie dem „Gutes aus Hessen-Regal“ (mit den Siegeln „Geprüfte Qualität – Hessen“ und „Bio aus Hessen“) vermarkten, ebenso untersucht wie die Marktprozesse vor Ort. Aktuell liefern die einzelnen Betriebe jeden Markt individuell organisiert an. Um die Logistik zu optimieren, empfahlen die Studierenden die Überarbeitung der bestehenden Kommunikationswege, die Implementierung digitaler Schnittstellen, die Bündelung von Lieferanten, den Einsatz von Cross Docking, das Einbeziehen von Logistikern und die Umsetzung von Mini Hubs in Verbindung mit Crowd Logistik.

„Um Bestellung, Transport und Anlieferung mit Blick auf die Nachhaltigkeit zu optimieren, liegen nun verschiedene Handlungsempfehlungen vor, die für die einzelnen, sehr heterogenen Lieferantengruppen anwendbar sind. Unser Fazit besteht darin, dass je Lieferantengruppe und Situation im REWE-Markt vor Ort eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen sinnvoll wäre, um die ökologischen und ökonomischen Aspekte stärker in den Fokus zu rücken. Die von den Studierenden gesammelten und ausgewerteten Daten sowie konkreten Empfehlungen können der REWE Region Mitte als Hilfe dienen, die passende Entscheidung für die einzelnen Märkte und ihre Lieferanten zu treffen“, fasst Projektleiterin Prof. Dr. Kerstin Wegener vom Fachbereich Wirtschaft und Recht der Frankfurt UAS die Ergebnisse zusammen. „Unsere Studierenden konnten ihr erlerntes Wissen an einem konkreten, aus der Praxis entnommenen Fall nutzbringend anwenden und das Kooperationsprojekt zwischen unserer Hochschule und REWE mit zahlreichen Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Lieferung erfolgreich abschließen.“

„Regionale und lokale Waren sind bei unseren Kundinnen und Kunden sehr beliebt und machen speziell im REWE Green Farming Markt in Erbenheim einen großen Teil des Sortiments aus. Gerade die Tatsache, dass sie aus der Region angeliefert werden, trägt zur Beliebtheit der Produkte bei. Umso spannender war es für uns zu erfahren, welche Optimierungsvorschläge es für eine nachhaltigere Logistik dieser Artikel gibt. Wir danken den Studierenden der Frankfurt UAS für ihre gute Recherche und Ausarbeitung“, so Anja Loewe, Leiterin Unternehmenskommunikation der REWE Region Mitte.

Die Studierenden erarbeiteten zielgruppenspezifische Handlungsempfehlungen für die logistischen Prozesse und Abläufe, sowohl im Markt als auch bei den Lieferanten. Letztere unterteilten sie dafür in drei Zielgruppen: Die Kleinlieferanten, die mittelgroßen und die Großlieferanten. Herausforderungen stellten u.a. die konkreten Vorgaben der Verbände, unter welchen die Labels laufen, dar, wie die Direktvermarktung, fehlende Kapazitäten etwa von Personal oder von einem Fuhrpark, teils fehlende Technik, fehlende einheitliche Prozesse oder Lieferzeiten und Kommunikationsschwierigkeiten.

Kleinlieferanten

marcinjozwiak / Pixabay

Als eine Handlungsempfehlung ergab sich für die Kleinlieferanten die Einführung sog. Mini Hubs in Verbindung mit Crowd Logistik. Bei diesen kleinen Umschlagplätzen würden sich mehrere Kleinlieferanten zusammenschließen und ohne klassische Logistiker je nach freier Kapazität ihre Produkte gemeinsam an die Märkte ausliefern. Auch Cross Docking könnte eingesetzt werden, was zum Ziel hat, Produkte nicht mehr zu lagern, sondern direkt umzuschlagen. Die Kleinlieferanten würden ihre Produkte für die jeweiligen Märkte kommissionieren und die Produkte würden über Umschlagpunkte weitergeleitet. Für solche Mini-Umschlagplätze müssten Großlager im Umfeld der Lieferanten gefunden werden. Bei diesen könnten die REWE-Flotte oder Drittanbieter die Produkte abholen und zum Markt bringen. Direkte Ansprechpartner/-innen im Markt könnten die Kommunikation optimieren, damit die Transparenz erhöht und der Wissensaustausch verbessert wird. Bei einer möglichen Bündelung von Lieferanten würden die Verbände selbst mehr in die Verantwortung genommen werden, indem sie eine Datenbank aufbauen. Das erhöht den Wissensaustausch und verkürzt die Transportwege. Die Studierenden empfahlen zudem, eine mobile Bestell-App einzuführen, welche die Bestellprozesse und Kommunikation vereinheitlicht und eine klare Dokumentation ermöglicht.

Mittelgroße Lieferanten

Bei den mittelgroßen Lieferanten identifizierten die Studierenden eine hohe Kooperations- und Anpassungsbereitschaft, woraus sich folgende Handlungsempfehlungen ergeben: Hinsichtlich der Bestellungen sollten Ansprechpartner/-innen des Marktes die Lieferanten in regelmäßigen Abständen besuchen und eine App, ein System oder eine Web-Anwendung sollte etabliert werden. Bereits genutzte Bestellsysteme könnten um eine solche Anwendung erweitert werden mit dem Ziel, eine kostenintensive Entwicklung zu vermeiden. Mit Blick auf den Transport differenzierten die Studierenden in ihren Empfehlungen zwischen dem System „Gutes aus Hessen-Regal“ sowie „Landmarkt“, da beide unterschiedliche Vorgaben mitbringen. Für Lieferanten des „Gutes aus Hessen-Regals“ sind Lagerlieferungen sowie die Lieferung über Logistiker zu präferieren, bei „Landmarkt“ könnten die Liefergemeinschaften verschiedener Lieferanten ausgebaut sowie eine IT-basierte Crowd Logistik erfolgversprechend eingesetzt werden. Bei der Anlieferung wird empfohlen, die aktuellen Kommunikationswege mit den Lieferanten im Vorfeld der Anlieferung zu überarbeiten, damit Liefermenge und Lieferzeit so früh wie möglich bekannt sind. Ziel sollte es sein, feste Liefertage zu definieren sowie einen gemeinsamen Kalender einzuführen.

Großlieferanten

Auch bei den Großlieferanten sahen die Studierenden eine Möglichkeit im Einsatz von Cross Docking. Mehrwert wären dabei die Reduzierung der Lieferwege bei gleichzeitiger Beibehaltung der Bestellart. Die Kosten würden ebenso reduziert wie der Zeitaufwand sowohl für die Lieferanten als auch für die Märkte. Geringer würden dabei jedoch die Kontaktpunkte zwischen Lieferanten und Markt ausfallen. Bei der vorgeschlagenen Warenbündelung könnte auf REWE-Fahrzeuge, Logistiker oder den Zusammenschluss der Lieferanten selbst zurückgegriffen werden. Die Studierenden empfahlen darüber hinaus eine digitale Schnittstelle für die Kommunikation zwischen Lieferanten und Markt, beispielsweise in Form einer App. Hier könnten Informationen wie Ansprechpartner/-innen im Markt, Lieferantenverzeichnisse und Rechnungen zusammengeführt und später ein direkter Zugriff auf das Warenwirtschaftssystem implementiert werden.

Zum Vorgehen

Die Studierenden werteten für die IST-Analyse Daten zur Lieferbeziehung zwischen lokalen und regionalen Lieferanten des REWE-Marktes in Wiesbaden-Erbenheim unter dem Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit aus: 40 Lieferanten von „Landmarkt“, 50 von „Aus deiner Region“ sowie zehn aus dem System „Gutes aus Hessen-Regal“ mit den Siegeln „Geprüfte Qualität – Hessen“ und „Bio aus Hessen“. Diese Vermarkter liefern aktuell ihre Produkte selbst; jeder Betrieb hat seine eigene Lieferzeit und -entscheidung, wann er das Sortiment im Markt auffüllt. Dementsprechend sollte auch vor Ort im Markt beim Verräumen und Präsentieren der Ware individuell, und den Gegebenheiten der Vermarkter angepasst, vorgegangen werden. Die Studierenden stützten sich auf Dokumente, Umfragen, Marktbesuche sowie Experteninterviews. Zuerst untersuchten sie die logistischen Prozesse und Abläufe im Markt, wie Bestellung und Warenannahme. Schließlich betrachteten sie die Vorgehensweise der regionalen Lieferanten, darunter Auftragseingang, Handling der Bestellung und Warentransport. Berücksichtigen mussten sie die Heterogenität der Betriebe (Umsatzvolumen, Saisonalität, Anzahl der belieferten Märkte), ebenso wie die Altersstruktur der Lieferanten und die wirtschaftlichen Hintergründe (Startups, Familienbetriebe).

Der Markt der neuen Green Building 2.0 Generation der REWE Group zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur ein Supermarkt ist, sondern auch eine Produktionsstätte der angebotenen Ware: Auf der markteigenen Dachfarm wächst Basilikum für die Märkte in der Region Mitte, das als Dünger Ausscheidungen der Fische erhält, die vor Ort gezüchtet und dann verkauft werden. Mit Holz als tragendes Baumaterial ebenso wie mit natürlichem Lichteinfall hat sich der Markt einer nachhaltigen Bauweise verschrieben.

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