Ernährungssicherheit: ProVeg fordert Abkehr von intensiver Tierhaltung

Krieg in der Ukraine macht Farm to Fork notwendiger denn je, sagt Wissenschaftsallianz

21.03.2022 - Deutschland

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nfolge des Kriegs in der Ukraine droht Getreideknappheit. Nun werden Stimmen laut, die eine Abkehr von der Farm-to-Fork-Strategie fordern. Ein fataler Fehler, folgern das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die Berliner Charité, die Universität Oxford und weitere renommierte Institute in einem heute veröffentlichten Papier. Die internationale Ernährungsorganisation ProVeg stellt sich entschieden hinter diese wissenschaftliche Einschätzung: Eine Abkehr von der intensiven Tierhaltung ist alternativlos.

Der anhaltende Krieg in der Ukraine erzeugt weltweit immenses Leid. Die dramatischen Auswirkungen treffen nicht nur das Land selbst. In Regionen, die auf ukrainische Getreideimporte angewiesen sind, wie Nordafrika und dem Mittleren Osten, wächst die Sorge vor Hungersnöten.1 Auch in Deutschland steigen die Preise für Futter- und Lebensmittel. Damit treten die Missstände in unserem Ernährungssystem in ihrer ganzen Dringlichkeit zutage, warnt eine wissenschaftliche Allianz heute. ProVeg teilt diese Einschätzung nachdrücklich.

Die Produktion von Tierfutter ist keine Ernährungssicherung

Während Teile der FDP- und CDU-Fraktionen die Nachhaltigkeitsziele der Agrarpolitik schwächen wollen, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern,2 entgegnet die Allianz: Die derzeitige Produktion könne selbst eine noch größere Weltbevölkerung ernähren. Vielmehr würden die ungleiche Verteilung von Lebensmitteln und besonders die umfangreiche Verwendung als Tierfutter die globale Ernährungssicherheit gefährden. Ländern wie Deutschland, die auf intensive Tierhaltung setzen, drohen Abhängigkeiten. Auch ProVeg-Geschäftsführer Matthias Rohra fordert: Die Politik muss umgehend handeln.

„Aktuell verwenden wir rund 60 Prozent unseres Getreides als Tierfutter3 statt für die Ernährung“, erläutert Rohra. „Das Gebot der Stunde ist eine sofortige Abkehr von der intensiven Tierhaltung, um wertvolle Flächen und Ressourcen für die Lebensmittelproduktion freizugeben. Wir sind überzeugt, dass die Ernährungssicherheit in Zeiten von Konflikten größer wäre, wenn die riesigen Getreidemengen für die Ernährung der Menschen statt für Tierfutter verwendet würden.“

Farm to Fork notwendiger denn je

An erster Stelle steht dabei das Festhalten an der Farm-to-Fork-Strategie. Die Strategie will den Klima- und Biodiversitätsschutz in der europäischen Landwirtschaft stärken. Sie fördert dazu unter anderem den Anbau alternativer Proteine sowie eine pflanzliche Ernährung. Damit soll Farm to Fork stabile Ernährungssysteme gewährleisten und langfristig Ernten sichern. Die Strategie zielt darauf ab, unser Lebensmittelsystem widerstandsfähiger gegen Kriege, Pandemien und die Klimakrise zu machen.4

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich deshalb eindringlich dafür ausgesprochen, weniger Getreide als Tierfutter zu verwenden und die Zahl der gehaltenen Tiere zu senken.5 „Dass der Bundeslandwirtschaftsminister an Farm to Fork festhält und die Tierbestände verringern will, ist beruhigend. Doch es darf nicht bei bloßen Zielerklärungen bleiben. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher reduzieren bereits den Konsum tierischer Produkte, der Markt für pflanzliche Alternativen wächst. Die Politik muss nun endlich nachziehen und umgehend konkrete Maßnahmen für ein nachhaltiges Ernährungssystem auf den Weg bringen“, bekräftigt Clara Hagedorn, Politik-Referentin bei ProVeg.

Fünf Forderungen für eine sichere Ernährung

Gemäß der Erkenntnisse der Wissenschaftsallianz fordert ProVeg folgende Ad-hoc-Maßnahmen:

  1. Förderung des Ausstiegs aus der Tierhaltung
  2. Förderung des Umstiegs auf den Anbau pflanzlicher Lebensmittel
  3. Umschichtung der Subventionen von tierischen hin zu pflanzlichen und zellkultivierten Produkten
  4. Förderung alternativer Proteine
  5. Ausbau der pflanzlichen Gemeinschaftsverpflegung

Hierfür setzt sich ProVeg auch international ein. Am 10. März 2022 hat die Ernährungsorganisation mit mehr als 85 nationalen und internationalen NGOs einen Offenen Brief an die EU-Kommission verschickt. Darin forderten die Organisationen vor dem Sondertreffen der G7-Agrarminister am vergangenen Freitag: Farm to Fork dürfe nicht zur Diskussion stehen, das Kernproblem sei unmissverständlich die intensive Tierhaltung.

Quellen

1  WirtschaftsWoche (17.03.2022): Brot für die Welt warnt: „Wir werden die Weizenpreise in Deutschland an den Fleischpreisen merken“ https://www.wiwo.de/politik/ausland/brot-fuer-die-welt-warnt-wir-verheizen-und-verfuettern-weizen/28166440-all.html

2  Deutsche Welle (16.03.2022): Der Ukraine-Krieg und die Bio-Frage https://www.dw.com/de/der-ukraine-krieg-und-die-bio-frage/a-61116300 

3  Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (09.06.2021): Was wächst auf Deutschlands Feldern? https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-arbeiten-foerster-und-pflanzenbauer/was-waechst-auf-deutschlands-feldern

4  European Commission (2020): Farm to Fork Strategy: For a fair, healthy and environmentally-friendly food system. Online unter: https://ec.europa.eu/food/system/files/2020-05/f2f_action-plan_2020_strategy-info_en.pdf [17.03.2022]

5 Top agrar (07.03.2022): Der Krieg in der Ukraine und die Folgen: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Jetzt nicht die alten Sprechzettel herausholen.“ https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/landwirtschaftsminister-cem-oezdemir-jetzt-nicht-die-alten-sprechzettel-herausholen-12907477.html

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