Keine Ernährungssicherheit ohne Umweltschutz
Jetzt echte Maßnahmen statt vorgeschobener Scheinlösungen
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Jetzt echte Maßnahmen statt vorgeschobener Scheinlösungen
Im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag fordern Caritas Österreich, Settele, Lakner und GLOBAL 2000:
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Aufstockung der finanziellen Mittel des Katastrophenfonds, insbesondere Nahrungsmittelhilfe, der Beiträge zum World Food Programme und der Mittel für Entwicklungzusammenarbeit.
Umlenkung von Förderungen der intensiven Tierproduktion hin zu einer standortgerechten, extensiven Tierhaltung, um den Bedarf an Futtergetreide zu reduzieren. Der Selbstversorgungsgrad bei Fleisch liegt in Österreich bei 112 %. In Österreich werden nur 17 % des verbrauchten Getreides direkt als Nahrungsmittel verwendet, 47 % als Futtermittel und 31 % energetisch oder stofflich genutzt. Keine Unterstützung von Nahrungsmitteln als Biokraftstoffe in Tanks!
Rasche Umsetzung der Farm to Fork-Strategie zur Reduktion der Abhängigkeit von Energieimporten, synthetisch-chemischen Pestiziden und Düngemitteln und somit auch zur Förderung der Biodiversität“
Die Klima-, Biodiversitäts-, Hunger- und Landwirtschaftskrise müssen zusammen mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges bewältigt werden. Die Freigabe der Biodiversitätsflächen muss zurückgenommen werden, stattdessen braucht es echte Lösungen, die der Artenvielfalt, dem Klimaschutz und der globalen Ernährungssicherheit gleichermaßen gerecht werden”, appelliert Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Landwirtschaftssprecherin an die Bundesregierung.
Artenverlust und Klimakrise verschärfen Welternährungskrise
Aus Sicht der Caritas werden die Ernteausfälle und die Marktreaktionen darauf Armut und Ernährungsunsicherheit verstärken. “Es droht eine Hungersnot in Ländern des Globalen Südens!“, warnt Elisabeth Leiner, Senior Expert für Food Security der Caritas Österreich. Es sind jene Menschen, die die Klimakrise bereits jetzt am stärksten trifft, obwohl sie diese am wenigsten verursacht haben. Nun drohen die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine wieder jene Menschen mit voller Härte zu treffen. „Um kurzfristig den Menschen zu helfen, die von den Ernteausfällen und den Preissteigerungen betroffen sind, ist die österreichische Regierung gefordert, den Katastrophenfonds aufzustocken. Neben der natürlich sehr notwendigen Hilfe an die Ukraine dürfen die Länder nicht vergessen werden, die unter dem ’Dominoeffekt‘ Krieg – Ernteausfälle – Preissteigerungen leiden. Österreich muss außerdem endlich das 0,7%-Ziel für Entwicklungszusammenarbeit erreichen und so auch die langfristige Entwicklungszusammenarbeit stärken, die Länder auf dem Weg zu Ernährungssicherheit begleiten kann”, so Leiner. International vereinbart ist, 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Aktuell liegt Österreich nicht einmal auf halben Weg des Ziels.
Auch die finanziellen Beiträge Österreichs zum World Food Programme sind chronisch niedrig. 2021 steuerte Österreich 17,9 Millionen Dollar bei, im Vergleich dazu die viel kleineren Staaten Dänemark 55,9 Millionen oder Norwegen 162,9 Millionen Dollar.
Verschwindender Effekt durch Freigabe von Brachflächen
Agrarökonom Sebastian Lakner zeigt anhand von Zahlen, dass das Einackern jener Brachflächen, die derzeit im Rahmen der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) europaweit als Ökologische Vorrangflächen gefördert werden, nur begrenzte Effekte für die Versorgungslage erzielt, gleichzeitig aber erhebliche negative Umwelteffekte zur Folge hätte. Geht man in Österreich von 9.000 ha und einem durchschnittlichen Weizenertrag aus, so würden durch das Beackern dieser Fläche gerade mal 0,1 % der fehlenden Mengen der Ukraine ersetzt werden.
“Es erscheint sinnvoller, sich eher mit den Potenzialen auf der Verwendungsseite zu beschäftigen, statt auf der Idee einer einseitigen Intensivierung der Landwirtschaft zu setzen. Die Lösung könnten darin liegen, die Fleischproduktion zu reduzieren und die Tierhaltung nachhaltiger zu gestalten. Auch die Beimischung von Biokraftstoffen (basierend auf Getreide und Raps) könnte für 2022 und 2023 ausgesetzt werden. Insgesamt gehen die Empfehlungen aus der Wissenschaft dahin, den bedrängten Ländern des globalen Südens Finanzhilfen zukommen zu lassen, um ihnen kurzfristig Nahrungsmittelimporte zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sollte auch das World Food Programme mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden”, so Agrarökonom Sebastian Lakner von der Uni Rostock (D).
Was bedeutet das Einackern letzter Biodiversitätsflächen für die Artenvielfalt?
Eine Stabilisierung von Erträgen durch Vielfalt in unseren Ökosystemen ist eine wichtige Voraussetzung zur Zukunftssicherung und soll in der EU mit dem Green Deal und seiner Farm to Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie gewährleistet werden. “Biodiversitätsflächen sind wertvolle Schutzzonen für Bienen, viele weitere Insekten und Vögel. Der Erhalt der Artenvielfalt ist die Voraussetzung für unsere Ernährungssicherheit. Es gilt, diese Flächen auszuweiten und nicht abzubauen als Teil umfassender Maßnahmen, die z.B. auch eine Reduktion von chemisch-synthetischen Pestiziden beinhalten. Damit schützen wir Arten und Klima gemeinsam”, sagt Josef Settele, Agrarökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und Vertreter im Weltbiodiversitätsrat – IPBES.