Kaltgepresstes Leinöl ist goldgelb, warm gepresstes Öl gelblich-braun. Raffiniertes Leinöl hat eine hell- bis goldgelbe Farbe. Das Öl riecht würzig nach Heu, wird als krautig bis dumpf und leicht röstig beschrieben und kann eine fischige Note aufweisen. Frisch schmeckt das Produkt leicht nussig und heuartig, nach Lagerung wird es bitter und ranzig. Als Lebensmittel wird eine Verwendung innerhalb weniger Wochen empfohlen. Für handwerkliche und technische Zwecke kann es unter Licht- und Luftabschluss oft mehrere Jahre gelagert werden.
Aushärtung
Aufgrund des hohen Gehalts an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren härten Leinöle aus und werden seit Jahrhunderten als Bindemittel für Pigmente zur Herstellung von Ölfarben eingesetzt. Die Aushärtung ist ein oxidativer Polymerisationsprozess, der sich in Abhängigkeit von Sauerstoff, Licht, Temperatur, Luftfeuchte und Zuschlagstoffen mit katalytischen Eigenschaften (Sikkative) über Tage bis Jahrzehnte hinziehen kann. Dabei lagert sich Luftsauerstoff an die Doppelbindung der ungesättigten Fettsäuren an und es kommt im Weiteren zu einem komplexen Ablauf chemischer Reaktionen, der die Vernetzung der einzelnen Moleküle zur Folge hat. Das polymere Endprodukt heißt Linoxyn und ist u. a. der Ausgangsstoff des Linoleums. Das Volumen des Bindemittels Leinöl nimmt durch Oxidation (Aufnahme von Sauerstoff) zu und bei der nachfolgenden Polymerisation wieder ab. Diese Reaktionsweise ist bei der sachgerechten Anwendung von Ölfarben von Bedeutung (siehe unter Anstrichmittel).
Selbstentzündung
Mit Leinöl getränkte Lappen, Pinsel u. ä. können sich selbst entzünden. Auch mit ungesättigten Ölen verunreinigte und nicht ausreichend ausgewaschene Textilien können sich im Wäschetrockner oder bei der anschließenden Aufbewahrung selbst entzünden.
Die Selbstentzündung erfolgt dabei wahrscheinlich durch Autoxidation von Doppelbindungen der α-Linolensäure bei zugleich großer Oberfläche und somit hoher Verfügbarkeit von Luftsauerstoff. Staut sich die bei der Oxidation des Leinöls entstehende Wärme, können sich bei entsprechenden Temperaturen auch Trägerstoffe selbst entzünden. Besonders hoch ist die Gefahr beim Arbeiten mit sogenanntem Halböl, das je zur Hälfte aus Lein- und Terpentinöl besteht, da letzteres einen Flammpunkt von unter 50 °C besitzt, während Leinöl selbst mit einem Flammpunkt von ca. 315 °C (Marcusson) und einem Siedepunkt oberhalb von 350 °C eher schwer entzündlich ist.
Mit Leinöl getränkte Textilien sollten ausgebreitet auf einer unbrennbaren Fläche zum Aushärten ausgelegt oder unter Wasser gelagert werden. Im Freien können sie zum Trocknen aufgehängt werden. Zur Aufbewahrung sollten sie in einem luftdichten Behälter lagern oder sie werden kontrolliert verbrannt. Pinsel können bis zur nächsten Benutzung in rohem Leinöl hängen.